Haller Kreisblatt 16.06.2025

Das Steinhagener Gymnasium hat einen „Tag der Vielfalt“ veranstaltet. 750 Schüler und Schülerinnen haben ihn erarbeitet und dabei vor allem eines demonstriert: Offenheit.

Normal ist das Anderssein

von Ekkehard Hufendiek

STEINHAGEN Das Gruppenfoto aus der Luftperspektive ähnelt einem Wimmelbild. Absichtlich halten die Schüler und Schülerinnen dabei ein Wort auf dem Pflaster des Schulhofs frei: Vielfalt. Denn um Vielfalt drehte sich am vergangenen Freitag am Steinhagener Gymnasium fast alles: das Arbeiten in den Klassen, das Essen in der Cafeteria und das Kreidezeichnen auf dem Schulhof. Eine Schülerin brachte bei einem Pressegespräch die Botschaft des Tages so auf den Punkt: „Normal ist das Anderssein.“

750 Schüler und Schülerinnen des Steinhagener Gymnasiums haben einen Tag der Vielfalt veranstaltet. Zum Abschluss des Projekttages singen sie zusammen das Europalied, dessen Text sie umgedichtet haben. FOTOS: Ekkehard Hufendiek

Der Unterricht fiel aus. Nicht die Lehrer, sondern zahlreiche Experten von außerhalb lehrten am Projekttag. Dazu zählten etwa Vertreter vom Verein Helden, Mitglieder der Aidshilfe Bielefeld, Mitarbeiterinnen vom Checkpoint Steinhagen oder vier Frauen der Privatinitiative „Omas gegen Rechts“ aus Bielefeld.

Hartnäckiger Kampf für die Gleichberechtigung

33 Workshops boten die Experten und Expertinnen an. Darin beleuchteten sie die gesellschaftliche Bedeutung der Vielfalt aus unterschiedlichen Perspektiven: sportlich, biologisch oder künstlerisch.

Bjarne und Nele von der Schülervertretung haben an der Gestaltung eines Schulbanners für den Tag der Vielfalt mitgewirkt.

Zum Beispiel thematisierte die Initiative „Omas gegen Rechts“ die Indoktrination in der Nazizeit und stellte die Freiheitsrechte des Grundgesetzes vor. Wichtig war den „Omas“ der Hinweis, dass vier Frauen am Grundgesetz 1949 mitgearbeitet haben, ohne deren hartnäckiges Beharren die Gleichberechtigung der Geschlechter vermutlich nicht gesetzlich festgeschrieben worden wäre.

„Keine Likes für Lügen“ heißt ein weiterer Workshop. Der beschäftigte sich mit den Themen Desinformation und hasserfüllte Inhalte in den Sozialen Medien. Die Schüler und Schülerinnen sollten die Fragen beantworten: „Wie erkennen wir extremistische Inhalte? Wie können wir uns gegen manipulative Deepfakes schützen?“

In einem weiteren Workshop lernten die Jugendlichen eine Drag-Queen kennen: Cassy Carrington. Carrington hat sich in den vergangenen Jahren zu einer festen Größe der Kultur- und Musikszene in Köln etabliert. Bei 2,10 Meter Größe inszeniert Cassy Carrington mit viel Schminke eine überhöhte Weiblichkeit, um die Vorurteile gegenüber ihrer Geschlechterrolle mit Witz und Glamour abzubauen. Carrington sprach über die Diskriminierung von queeren Menschen (LSBTIQ*), um physischer und psychischer Gewalt vorzubeugen.

„Schule ist immer ein Spiegel der Gesellschaft“, sagte Schulleiter Stefan Binder. Er begrüße daher die Initiative, die seiner Angabe nach auch in den Schulgremien der Lehrer und Eltern großen Anklang fand. Der Impuls zum Tag der Vielfalt sei aus der Schülerschaft gekommen. „Das hat mich besonders gefreut“, sagte Stefan Binder.

Schulsozialarbeiterin Sarina Steffen (v.l.), Lehrerin Nadine Meier und Schulsozialarbeiterin Joanna Jahns sind Mitorganisatorinnen.

Einen besonderen äußeren Anlass hat es nicht gegeben. Laut Nadine Meier, der SV-Lehrerin, sei die Initiative zum Tag der Vielfalt entstanden, nachdem die Frage diskutiert worden sei: „Wie wäre es, wenn wir an der Schule eine Regenbogenfahne aufhängen würden?“ Stefan Binder fügte hinzu, dass Cybermobbing und soziale Ausgrenzung am Steinhagener Gymnasium genauso ein Thema sei, wie wohl an allen anderen Schulen auch.

Zur Kritik eines Professors der Bielefelder Universität indes wollte Stefan Binder beim Pressegespräch keine Stellung beziehen. Der Jura-Professor hatte den Projekttag mit „knallharter LGBTQ-Schulpropaganda“ gleichgesetzt, die nichts an der Schule verloren habe. Binder sagte: „Für uns ist ungemein wichtig, dass wir die Vielfalt dieses Tages darstellen und nicht darauf hereinfallen, dass es Menschen gibt, die das bewusst reduzieren.“

Zoi (l.) und Hanna haben am Workshop “Graffiti” teilgenommen und dabei ein mobiles Graffito mit einer Erdkugel ausgearbeitet.

Etwa ein Jahr dauerte die Vorbereitung des Projekttages. Erst durch Vielfalt kann Toleranz erlernt werden. Leni, eine SV-Schülerin, sagte: „Für uns ist Schule alltäglich, dann sollte auch der Umgang miteinander sehr wichtig sein.“ Die elfjährige Zoi, die an einem mobilen Graffito mitgearbeitet hatte, zog abschließend ein prägnantes Fazit: „Es war voll spannend.“

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